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Gypsy Jazz Jam Session Schwabingbeim Brandstetter München am 28.4.2016Michael Santifaller g, voc Marco Vecchioni g, voc Jacques Guillou g Alfred Lorenz ts Sessioneinsteiger ts Peter Seybold b Gypsy Jazz - Ausdruck von Spielfreude und Lebenslust Mit "All Of Me" eröffnen Michael Santifaller und seine Freunde den Abend, einem der meistgespielten und unverwüstlichsten Standards des Jazz. Doch wer jetzt nur eine weitere, sanft dahinswingende, den üblichen Hörgewohnheiten entsprechende Interpretation erwartet, irrt sich. Schon nach wenigen Takten wird klar: diese Musik, Gypsy Swing - Jazz Manouche swingt viel treibender und rhythmischer. "La Pompe Manouche" heißt denn auch die Anschlagtechnik, mit der die drei Gitarristen den für diesen Stil unverkennbaren Sound produzieren und mich damit unwillkürlich an den großen Django Reinhardt erinnern. Im Verlauf der drei Sets werden tatsächlich mehrere Kompositionen Reinhardts zu hören sein, wie etwa "Djangology" oder "Nuages", dem Publikum liebevoll als "Wölkchen" vorgestellt. Doch zunächst zu "All Of Me". Wie aus dem Off kommen die Songzeilen, dargeboten von Gitarrist Marco Vecchioni, der heute noch ein weiteres Mal, beim Klassiker "Night & Day" auch als Sänger in Erscheinung treten wird. Das Saxophon von Alfred Lorenz improvisiert souverän melodiös und untermalt die Soli der Mitspieler zurückgenommen mit harmonischen Tönen. Gitarrist Jacques Guillou nutzt die ganze Länge des Griffbretts und liefert die im Gypsy Swing so typischen Sext- und Nonenakkorde. Die rechte Hand von Bassist Peter Seybold zupft im Moment noch gesittet, wird die Saiten aber mit zunehmender Spielfreude immer verwegener und ausgreifender bearbeiten. Bald muss ein Tisch Platz für eine kleine Tanzfläche machen. Spätestens bei "Daphne", auch einem Reinhardt-Titel, begnügen sich einige noch recht junge Gäste nicht mehr mit dem Wippen der Füße. Unmittelbar vor der Bühne tanzen abwechselnd Paare Lindy Hop, einen wiederentdeckten Swing-Tanz aus den USA der 30er Jahre. Ein einziges Stück sagt Santifaller an diesem Abend nicht an. Die mir unbekannte, langsame, schwärmerische Ballade hebt mit wenigen, hellen Tönen an, von der Sologitarre Santifallers geformt und in den Raum entsendet. Es entsteht eine Melodie, die sich im Raum ausdehnt bis sie ihn schließlich ganz erfüllt. Meine Wahrnehmung wird weder von Assoziationen gefärbt, die jeder Musiktitel unweigerlich heraufbeschwört, noch von Erinnerungen an Referenzaufnahmen. Es wird ein Musikerlebnis in seiner reinsten Form. "Minor Swing", eine der populärsten Kompositionen Django Reinhardts und fester Bestandteil jedes Gypsy Swing Band-Repertoires, beschließt den Abend. Nachdem die Instrumente in den Koffern und Etuis verstaut sind, erzählt Michael Santifaller noch von der Geschichte des Gypsy Swing, wie er nach Europa gekommen ist, wie er sich weiterentwickelt und wie lebendig er in München ist. Nein, die Tanzpaare ganz dicht vor ihm hätten ihn nicht gestört, im Gegenteil: wie wunderbar ist es doch, Menschen mit Musik zu erreichen und ihre Lebensfreude zu wecken. Von seinem neuesten Projekt serviert mir Santifaller mit seiner Gitarre noch ein paar "Häppchen" - doch davon wird hier nichts verraten. Nach dem Titel der Ballade habe ich ihn übrigens absichtlich nicht gefragt. Sie soll mir namenlos und einfach nur als wunderbare Musik in Erinnerung bleiben. Dirk Bertram Termine: Jeden vierten Donnerstag im Monat Gypsy Jazz Jam Session mit Michael Santifaller, Peter Seybold & Friends im Brandstetter, Herzogstraße 29, München. |