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Jazzrauschim Sudhaus Tübingen am 21. Dezember 2018
Leonhard Kuhn, Electronics Heinrich Wulff, Guitar Florian Leuschner, Reeds Daniel Klingl, Reeds Bettina Maier, Reeds Raphael Huber, Reeds Moritz Stahl, Reeds Frederik Mademann, Reeds Ferdinand Settele, Reeds Julius Braun, Trumpet Angela Avetisyan, Trumpet Julian Hesse, Trumpet Andreas Unterreiner, Trumpet Johannes Schneider, Trumpet Ramona Schwarzer, Trombone Carsten Fuss, Posaune Thorben Schütt, Trombone Robert Hedemann, Basstrombone Jutta Keeß, Tuba Patricia Römer, Vocals Alma Naidu, Vocals Kevin Welch, Keyboards Leopold Betzl, Piano Thomas Kölbl, Keyboard Georg Stirnweiß, Bass Maximilian Hirning, Bass Marco Dufner, Drums Samuel Wootton, Percussion Sebastian Wolfgruber, Drums Silvan Strauß, Drums Matthias Leichtle, Sound Mit Goethes Faust in den Techno-Club Jazzrausch bieten im Sudhaus eine betörende und mutige Jazz-Melange TÜBINGEN. Klangvielfalt und das Sprengen gewohnter Bigband-Grenzen sind Kennzeichen ihrer Musik, die auch Jazzansprüchen vollauf genügt und zugleich mit publikumswirksamer Tanzbarkeit aufwartet: Roman Sladek und seine Band Jazzrausch verwandelten das Sudhaus am Freitag in einen veritablen Techno-Club und sorgten für beste Stimmung unter den rund 180 Besuchern. Die Posaune schlängelt sich mal improvisierend, dann wieder aufbrausend durch den Saal. Mehr als zehn Bläser und gleich zwei Drummer fallen ein und drängen sich nach und nach in den Vordergrund. Ein E-Bass und eine Basstuba geben tiefe, pulsierende Töne von sich und das E-Piano wirft scheppernde Töne ins Geschehen, das sich immer mehr verdichtet und Instrument um Instrument, Farbschicht um Farbschicht zulegt. Vor uns musiziert eine Bigband, nur klingt sie nicht immer danach. Oft kommt sie als kraftvoller Drum-'n'-Bass-Koloss daher, zuweilen wird sie von technoiden Rhythmen aufgebrochen, in ihre Einzelteile zerlegt und überführt das Konzert in eine aufgedrehte Technoparty. Der Münchner Posaunist Roman Sladek hat da 15 Musikerinnen und Musiker um sich geschart, die meist in halsbrecherischem Tempo und mit technoidem Einschlag ein Feuerwerk geballter Bläserpower abzieht. Deftige Bigband-Kracher wechseln sich ab mit einem dichten Geflecht aus pulsierenden Dub-Klängen. Sladek macht aus Jazzrausch eine Allzweckwaffe, die alles spielt von eingängigem Technojazz über Hip-Hop-Soul (mit einer Sängerin) bis zu teilweise avantgardistischen Suiten - ein Programm mit einem feinen Gespür für Abwechslung und Überraschungen. Die Big Band als Kaleidoskop, dafür ist der 29-jährige Posaunist und Bandleader Roman Sladek verantwortlich, der seit seinem 16. Lebensjahr im Landesjugendjazzorchester saß und nun versucht, den großorchestralen Jazz in eine unverbrauchte und durchaus eigensinnige Richtung zu bewegen. Inzwischen absolviert er mit Jazzrausch weltweit mehr als hundert Auftritte im Jahr, ist in China ebenso aufgetreten wie als erste deutsche Bigband im New Yorker Lincoln Center. Weit entfernt vom klassischen Muster amerikanischer Prägung und mit einem eher verwickelten als streng durchlaufenden rhythmischen Puls nutzt die Bigband die Freiheiten von Gitarrist Leonard Kuhns Interpretationen, deren komplexe Strukturen sich immer wieder in freie Flächen auflösen. Die 16-köpfige Band meidet jeden ausgetretenen Pfad konsequent und erweitert das Repertoire mit einem ungewöhnlichen Stilmix. Etwa mit dem von Goethes Faust inspirierten Techno-Hörspiel "Suche nach Jugend" oder mit einer Wayne-Shorter-Komposition, die in der Fassung von Jazzrausch wie eine aufgedrehte Technoparty anmutet. Die irrwitzigen, treibenden Bläser-Galoppaden und die ungekünstelte Animation locken das Publikum zusehends aus der Reserve. Am Ende bricht der Bann vollends und es tanzt der ganze Saal. Vor ungewöhnlichen Begegnungen scheut sich nach diesem Abend jedenfalls niemand mehr. Jürgen Spieß
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